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Fingerzeig in die Ewigkeit

In Halberstadt wird der Domschatz in neuem Glanz präsentiert

Halberstadt. Der mittelalterliche Domschatz von Halberstadt am Harz kann nach Jahren der Restaurierung nun wieder besichtigt werden. Er gehört zu den größten seiner Art in der Welt und wurde über die Jahrhunderte durch engagierte Bürger in seinem Bestand bewahrt.

 Diese Armreliquiare (um 1200) enthalten der Überlieferung nach einen Finger des heiligen Nikolaus und Knochenpartikel des heiligen Stephanus.

Uralte edle Messgewänder, mittelalterliche Wandteppiche, kostbare Handschriften und edelsteinbesetzte Reliquiare, Bronzearbeiten und uraltes Mobiliar, dazu Altäre und Skulpturen: Seit 13. April ist der Domschatz von Halberstadt wieder zu bestaunen. Die Dauerausstellung wurde mit einem ökumenischen Gottesdienst und einem Festakt im evangelischen Dom Sankt Stephanus und Sankt Sixtus eröffnet, an dem auch Bundespräsident Horst Köhler, Sachsen- Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer, der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Wolfgang Huber sowie die Magdeburger Bischöfe Gerhard Feige (katholisch) und Axel Noack (evangelisch) teilnahmen.

Kostbarkeiten aus 13 Jahrhunderten


Nach mehrjährigen umfangreichen Arbeiten unter Leitung der Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt wird der Domschatz der 1200 Jahre alten Bischofsstadt nun wieder in seiner vollen Schönheit gezeigt. Die rund 650 Kunstwerke aus dem 5. bis 18. Jahrhundert sind neben der Sammlung entsprechender sakraler Schätze im Vatikan weltweit eine der größten geschlossenen Sammlungen, die an ihrem ursprünglichen Ort erhalten blieben. Etwa 300 der vor Jahrhunderten zusammengetragenen Stücke kann der Besucher nun wieder in der Domklausur auf rund 1000 Quadratmetern bewundern. Die anderen Kostbarkeiten werden in unmittelbarer Nähe in dem 2005/06 neu entstandenen Funktionsanbau aufbewahrt. Zu den wertvollsten Stücken, die zu sehen sind, gehören der gut zehn Meter lange Abraham-Engel-Teppich und der fast ebenso lange Christus-Apostel-Teppich. Beide stammen aus dem 12. Jahrhundert. Für die Menschen in alter Zeit aber war vor allem die umfangreiche Reliquien- oder Heiltümersammlung der eigentliche Schatz des Domes, versprachen sie sich davon doch Vergebung ihrer Sünden, um in die Ewigkeit zu gelangen. Die Neupräsentation zeige die Kunstschätze bewusst in ihrem Zusammenhang zur christlichen Praxis und Liturgie, betonte der Halberstädter Superintendent Christoph Hackbeil als kirchlicher Hausherr bei der Vorstellung der Ausstellung für die Presse. Den Besuchern soll deutlich werden, welche Bedeutung die einzelnen Stücke für die Menschen hatten und wie sie verwendet wurden.

Ein erheblicher Teil der Schätze, darunter zahlreiche Gefäße mit Reliquien bekannter Heiliger, wurde einst beim vierten Kreuzzug (1202-04) in Konstantinopel der griechischen Christenheit geraubt. Sie kamen über Bischof Konrad von Krosigk (1201-1208), der daran teilgenommen hatte, in den Schatz des Domes.

Einst den griechischen Christen geraubt

Bei der Eroberung Konstantinopels mit Plünderung, Totschlag und Vergewaltigung hinterließen die Lateiner bei den griechischöstlichen Glaubensgeschwistern ein Trauma, das bis heute nicht vergessen ist. Um in dieser Hinsicht ein Zeichen der Versöhnung und Geschwisterlichkeit zu setzen, so Superintendent Hackbeil, habe man zum Ökumenischen Friedensfest am 23. August Professor Grigorios Larentzakis aus Graz als Vertreter des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel, heute Istanbul, nach Halberstadt eingeladen.

Mittelpunkt des Christus-Apostel-Teppichs aus dem 12. Jahrhundert: Christus flankiert von den Erzengeln Michael und Gabriel.

Dass es gelang, den Domschatz über so viele Jahrhunderte hinweg zu bewahren, habe - mit heutigen Worten ausgedrückt - "viel mit bürgerlichem Engagement" zu tun. Das stellten Hackbeil und Sachsen-Anhalts Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz (parteilos) bei der Präsentation für die Medien heraus. Den Menschen in alter Zeit seien die Dinge, die ihnen von den Werten des christlichen Glaubens erzählten, so kostbar und heilig gewesen, dass sie sie über die Zeiten hinweg zu schützen wussten. Hilfreich war dabei, dass es in Halberstadt - man höre und staune - von 1541 bis 1810 ein konfessionell gemischtes Domkapitel gab und dass am Dom regelmäßig evangelische und katholische Gottesdienste gefeiert wurden. So blieb der Dom vor reformatorischem Bildersturm verschont. Als 1810 im Zuge der Säkularisierung der noch bestehenden geistlichen Stifte in Deutschland das Domkapitel durch Dekret König Jéromes von Westfalen (Bruder Napoleons) aufgelöst wurde, gelang es den Dompredigern Johann Justus Christian Grahn und Christian Friedrich Bernhard Augustin, der königlichen Regierung in Kassel klarzumachen, dass die Schätze am Halberstädter Dom nur an ihrem Aufbewahrungsort einen Wert hätten. Der Domschatz blieb verschont. In den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges und danach wurde der Schatz erfolgreich in und um Quedlinburg versteckt. Als die Amerikaner nach ihm fahndeten und den Quedlinburger Schatz fanden, war er kurz zuvor in letzter Sekunde mit einem Leichenwagen nach Halberstadt geholt worden. Ab 1959 war der Domschatz dann wieder in der Domklausur zu sehen. Von 2006 bis jetzt wurden während der Umbau- und Restaurierungsarbeiten übergangsweise nur 30 Kostbarkeiten im neuen Funktionsbau gezeigt.

Geöffnet dienstags bis samstags 10 bis 17 Uhr, sonntags/feiertags 11 bis 17 Uhr. Tel. 0 39 41/ 2 42 37. Mehr Infos: www.domund- domschatz.de

Von Eckhard Pohl

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