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Die Damen werden gebraucht

Ökumenische Bahnhofsmission betreibt auch eine Wärmestube / Auch Kinder nehmen Angebot an

Seit 2005 geht Gisela Hohlfeld täglich zum Bahnhof. Nicht um wegzufahren, sondern um bei der Bahnhofsmission zu helfen. Neben der Begleitung von Reisenden und Hilfe beim Umsteigen leisten die Mitarbeiter noch ganz andere Sachen.

Richard Kros und Heinz Becker sind nur zwei von dutzenden Stammgästen von Gisela Hohlfeld bei der Bahnhofsmission

Die kleine Baracke ist hübsch aber wirklich winzig. Zwei kleine Räume sind es: Ein Aufenthaltsraum mit fünf eng gestellten Tischen und eine schmale Küche, die auch noch als Büro und Lagerraum für die notwendigsten Dinge dient.

In der Küche lacht Gisela Hohlfeld, während sie Geschirr spült. Die 61-Jährige geht seit 2005 jeden Tag zur Bahnhofsmission. "Ich war arbeitslos. Und dann gab es dieses Programm ‚58 Plus‘. Deshalb bin ich hier. Ich komm ja aus der Gastronomie", erzählt sie.

Mit Gastronomie hat Bahnhofsmission im Normalfall nichts zu tun, in Görlitz schon. Gisela Hohlfeld sagt auch, dass sie deshalb hier am richtigen Platz sei. Viele Gäste in der Wärmestube sind "Stammgäste". Etwa 35 bis 50 Menschen kommen täglich hierher. Die Hintergründe sind ganz unterschiedliche: Manch einer bezieht Hartz IV und zum Monatsende wird das Geld knapp. Andere wieder sind schon seit Jahren krank oder bekommen nur eine kleine Rente. Dass einige auch vom Alkohol gezeichnet sind, bestätigt Hohlfeld. Es sind aber auch Menschen dabei, die einsam sind und jemanden zum Reden brauchen.

Die getaufte Protestantin arbeitet gerne bei der ökumenischen Bahnhofsmission. Was das Christliche an der Bahnhofsmission sei? Sie braucht nicht lange nachzudenken: "Um fünf vor neun kommt im Radio das ‚Wort zum Tage‘. Das wird lautgedreht. Aber sie können den Leuten hier nichts aufzwingen. Das Schlimme ist ja nicht die Armut, sondern die geistige Verelendung."

Richard Kros nimmt das als Gast naturgemäß anders wahr. Für ihn ist es einfach schön hier. Der 64- jährige gebürtige Oberschlesier war früher einmal Kraftfahrer. Seit Jahren kommt er jeden Tag. Er sagt: "Ich weiß, ich brauche die Damen von der Bahnhofsmission. Aber die Damen brauchen mich nicht."

Heinz Becker war früher Agrotechniker. Dass er viel im Leben durchgemacht hat, sieht man ihm an. Seit 1991 kommt auch er täglich und ist zufrieden: "Besser als hier geht es doch gar nicht."

Die Bahnhofsmission hat Gisela Hohlfeld verändert. Sie sei dem christlichen Glauben lange fern gewesen, das habe sich geändert, seit sie hier arbeitet, sagt sie.

Es klingelt. Gisela Hohlfeld lacht, als sie die Tür aufmacht. Drei Kinder stürzen herein. "Ja," sagt sie und legt die Stirn in Falten, "das werden leider immer mehr".

Von Markus Kremser

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