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Polen in der Überzahl

Die Görlitzer Gemeinde Heilig Kreuz wächst, weil immer mehr Polen nach Görlitz ziehen

Görlitz. Der Zuzug von Polen nach Görlitz verändert auch die katholischen Gemeinden. Bei der Erstkommunion am vergangenen Sonntag waren 80 Prozent der Kinder in der Pfarrei Heilig-Kreuz polnischer Muttersprache.

Erstkommunion-Kinder am vergangenen Sonntag in Görlitz: 80 Prozent sind polnischer Muttersprache

Der Herr möchte nicht zitiert werden. Seinen Namen möchte er ebenfalls nicht in der Zeitung lesen. Seine Meinung sagt er trotzdem. Soviel Polen unter den Erstkommunion-Kindern. Nein, das fände er nicht gut, sagt er. Warum? Na, weil es eben Polen seien. Er gehört wie die "Polen" zur Pfarrgemeinde Heilig-Kreuz in Görlitz.

Das Zusammenwachsen entlang der Grenze ist ein langwieriger Prozess. So mancher Ältere kann sich noch gut an kommunistische Zeiten erinnern, manch einer auch an die Zeit direkt nach dem Krieg. Bei einigen, wie dem Herrn, der die polnischen Erstkommunion- Kinder nicht mag, sind die Vorurteile bis heute geblieben.

Dabei sprechen viele Polen Deutsch, zumindest die Kinder. 22 Kinder sind am vergangenen Sonntag zur ersten heiligen Kommunion in der Görlitzer Innenstadtgemeinde gegangen. Schon auf den ersten Blick ist das keine "normale" Erstkommunion. Die Frauen sind modischer gekleidet und der eine oder andere Herr trägt einen Schnurrbart, wie in Lech Walesa berühmt gemacht hat. Ganz eindeutig: Polen.

Tatsächlich sind 80 Prozent der Kinder, die an diesem April-Sonntag das erste Mal zur Kommunion gehen, polnischer Muttersprache. Doch nicht alle sind auch Polen. Viele Kinder haben einen deutschen und einen polnischen Elternteil, sind nach Staatsbürgerschaftsrecht Deutsche.

Ein solches deutsch-polnisches Paar sind Katarzyna und Stefan Zinnow: Sie ist polnisch-katholisch, er ist deutsch-protestantisch. Ihre Tochter ist noch keine drei Jahre alt und wechselt zwischen den Sprachen, dass jeder, der sich einmal in einem Polnisch-Kurs gequält hat, vor Neid erblasst. Die anderen sind tatsächlich Polen. Polen, die Görlitz wohnen, weil die Stadt schöner ist, die Mieten billiger als in Zgorzelec sind und die Kinder mehr Chancen haben werden, wenn sie zweisprachig großwerden, auf eine deutsche Schule gehen.

Michael Noack, Kaplan der Gemeinde, sieht das Wachsen der Pfarrei als Herausforderung: "Es ist nicht einfach, eine so große Gruppe in die Gemeinde zu integrieren. Die Sprachbarriere ist da. Aber im Glauben gibt es keine Fremdsprachen." Der 28-Jährige sieht vor allem Chancen: "Wir können uns gegenseitig bereichern. Wir können die unterschiedlichen Arten von Frömmigkeit voneinander lernen", erzählt er nach dem Gottesdienst.

Vor allem das Aufeinandertreffen von Diaspora-Kirche und Volkskirche bereite Probleme, sagt Noack. Die Gemeinden in der Diaspora hätten eine Form von Gemeindeleben entwickelt, die in der Volkskirche unbekannt seien. Im Osten Deutschlands hätten sich die Katholiken gegen den Atheismus wehren müssen. In Polen hingegen seien 95 Prozent der Einwohner Katholiken.

Dass Alfred Hoffmann, der Pfarrer, Polnisch spreche, sei ein unschätzbarer Vorteil, findet der Kaplan. Den Vorteil hätte Noack gerne genutzt und dem Pfarrer die Feier der Erstkommunion überlassen. Doch trotz fehlender Polnisch-Kenntnisse musste der Kaplan am vergangenen Sonntag alleine ran: Der Pfarrer hatte sich zwei Tage vorher drei Rippen gebrochen, konnte die Messe nicht halten. Nicht auf Polnisch und auch nicht auf Deutsch.

Von Markus Kremser

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