Fruchtbare Spannung
Verhältnis von Religion und wissenschaftlicher Vernunft war Thema beim Hochschultag in Erfurt
Erfurt. Das Verhältnis von Glaube und Wissenschaft im Haus der Vernunft war Thema des Hochschulbegegnungstages am 22. April in Erfurt. Dazu waren 75 leitende Hochschullehrer Thüringer Universitäten und Fachhochschulen auf Einladung des Bischofs gekommen. Referent war der Bonner Philosoph Ludger Honnefelder.
Glaube und wissenschaftliche Vernunft brauchen einander: Der Glaube und seine Selbstvergewisserung in der Theologie ist der Welt der Wissenschaft Mahnung, nicht in Selbstüberschätzung zu meinen, alles erklären zu können, und zur Quasireligion zu werden. Zudem bewahren Glaube und Theologie die Wissenschaft auch vor der Versuchung, an den Grenzen der Vernunft zu verzweifeln und das Projekt der Aufklärung durch die Vernunft aufzugeben. Dagegen zwingt die Welt der Wissenschaft den Offenbarungsglauben, sich vor der kritisch fragenden Vernunft auszuweisen, und hindert ihn, sich seinerseits als die umfassende und alles andere erübrigende Gesamtsicht misszuverstehen. Dies machte der Bonner Philosoph Ludger Honnefelder (71) seinen etwa 75 Zuhörern beim dritten Hochschulbegegnungstag des Bistums Erfurt deutlich. Honnefelder ist Leiter des Instituts für Wissenschaft und Ethik in Bonn.Verhältnis basiert auf der Idee von der Universität
Das dialektische Verhältnis von Glauben und wissenschaftlicher Vernunft basiert auf der Idee der Universität, wie sie im 13. Jahrhundert Realität wurde. Diese Idee wiederum sei Frucht einer Entwicklung, die auf den doppelten Schritt vom Mythos zum Logos (im 8. bis 6. Jahrhundert vor Christus) zurückgeht, so Honnefelder: und zwar den Schritt vom Mythos zum Logos in der Entdeckung von Philosophie und Wissenschaft und in Form der Entdeckung des einen und einzigen Gottes als Ursprung der Welt und Geschichte in Judentum, Christentum und Islam.
In der Gegenwart, so der Philosoph, scheine sich die Kluft zwischen religiösem Glauben und wissenschaftlicher Vernunft zu vertiefen: "Der religiöse Glaube tendiert - vor allem in der islamischen Welt - zu einem fundamentalistischen Verständnis seiner selbst, bei dem der Glaube gegen die Vernunft ausgespielt wird." Honnefelder erinnerte hier auch an die Strömung des Kreationismus (unmittelbares Eingreifen Gottes bei der Welt-Erschaffung).
Gleichzeitig seien aber auch atheistische Positionen präsent, die die Religion als Ursache von Gewalt und Unfreiheit darstellten. Manche Autoren würden auch das Absterben der Religion beschwören, was die Religionssoziologie überhaupt nicht teile. Nicht zuletzt begegneten in der Welt der wissenschaftlichen Vernunft Tendenzen zu einem Naturalismus, der nur das als wirklich gelten lässt, was sich mit naturwissenschaftlichen Methoden erkennen lässt. Dies äußere sich etwa in der gegenwärtigen Diskussion um die Willensfreiheit oder den Status der menschlichen Person.
Honnefelder erinnerte daran, dass sich die Wahrheitsfrage nur in der Vielfalt der Disziplinen beantworten lässt. Auch die Wissenschaft habe erkannt, dass sie nicht voraussetzungslos ist. Sie hat ihre eigenen vorausgesetzten Grundüberzeugungen wie beispielsweise die Annahme, dass sich die Welt als ein prinzipiell erkennbares und verstehbares Ganzes darstellt, dass sich dem Menschen perspektivisch erschließt, oder dass für Ereignisse Ursachen gefunden und benannt werden können.
Auch Naturwissenschaften haben Grundüberzeugungen
Honnefelder warnte nachdrücklich vor der Entwicklung zu einem Wissenschaftsverständnis, dass durch von der Wirtschaft vorgegebene Forschungsaufträge und -ziele bestimmt ist. Die Forschung müsse unabhängig und unverzweckt arbeiten. Darüber entspann sich eine vielschichtige, teilweise auch kontroverse Diskussion. So erinnerte der Rektor der Universität Jena, Klaus Dicke, daran, dass auch die Geisteswissenschaften korrumpierbar sind.
Zu Beginn des Begegnungstages hatte Bischof Joachim Wanke betont, dass "ein Land, in dem Bildung und Weiterbildung zur wichtigsten Standortressource gehören, auch ein öffentliches Gespräch über die Grundlagen, Inhalte und Rahmenbedingungen von Wissenschaft und Bildung braucht". Dazu gehöre auch das Gespräch, welches das "Spannungsfeld von Glaube und Vernunft im Haus der Wissenschaft beleuchtet". Der Hochschultag des Bistums Erfurt fi ndet alle zwei Jahre statt.
Von Eckhard Pohl