Schöpfung durch Evolution
Ein Biologe und ein Theologe über einen Aspekt der Vereinbarkeit von Naturwissenschaft und Glauben
Jena. "Evolution und Schöpfung - kein Widerspruch" hieß eine Veranstaltung des ökumenischen Beirates "Kirchen und Hochschulen" in Jena.
Krähen haben ein Ich-Bewusstsein und eine Elster erkennt sich im Spiegel. "Je länger ich mich mit den Tieren beschäftige, desto geringer wird der Abstand zwischen ihnen und mir, dem Menschen, der sich für etwas Besonderes hält", sagt Stefan Peters. Der Biologe war stellvertretender Direktor des Forschungsinstitutes und Naturmuseums Senckenberg in Frankfurt / Main. Auf einer Veranstaltung des ökumenischen Beirates "Kirchen und Hochschulen" in Jena zum Thema "Evolution und Schöpfung - kein Widerspruch" skizzierte Peters den heutigen Stand in Sachen Evolutionsforschung.Dabei stellte Peters nicht die Frage, ob die Evolutionstheorie wahr oder falsch sei. Ihm ging es vielmehr darum zu zeigen, dass sie plausibel ist. Für ihn hängt das an zwei Voraussetzungen: Zum einen gilt für Organismen, dass sie nach den allgemeinen Naturgesetzen nichts umsonst erhalten oder tun können. Jede Lebensäußerung ist mit "Kosten" verbunden. Ein Lebewesen, das sich fortbewegt, braucht Energie. Die zweite Voraussetzung betrifft die Weitergabe der Erbanlagen von Generation zu Generation. Ein wesentliches Motiv für Veränderungen sind "Kostensenkungen" für die Lebensäußerungen. Das "kostengünstigste Lebenwesen" ist das, das letztlich überlebt. Diesen Vorgang nennt die Evolutionstheorie Selektion.
Aus diesen beiden Annahmen ergibt sich für Peters "zwingend" die Evolution. Dabei ist Evolution ein unumkehrbarer geschichtlicher Prozess, der sich zwar rekonstruieren, aber nicht beweisen lässt.
Und wo ist nun der Platz für Gott bei diesem Geschehen, wenn Evolution und Schöpfung kein Widerspruch sein sollen? "Der liebe Gott kommt bei mir nicht vor", sagt der Biologe. Und wenn er die Methode seiner Naturwissenschaft ernst nimmt, darf er es auch nicht. Dabei kann sich Peters auf einen großen Theologen berufen. Von Albertus Magnus nämlich stammt der Satz: "Wir haben in der Natur nicht zu erforschen, wie Gott der Schöpfer die Geschöpfe gebraucht, sondern was in den Naturdingen nach natürlichen Ursachen und natürliche Weise geschehen mag." Das schließt ein, dass die Naturwissenschaften weder die Existenz Gottes noch seine Nicht-Existenz beweisen können.
Papst: Evolutionstheorie ist mehr als eine Hypothese
Gott ins Spiel zu bringen, blieb also dem Theologen vorbehalten. Und der Jesuit Christian Kummer aus München ist dafür besonders kompetent, ist er doch nicht nur Theologe sondern auch Biologe und beschäftigt sich mit naturwissenschaftlichen Grenzfragen zu Philosophie und Theologe.
"Ich will meinen Glauben als Christ an die Schöpfung mit meinem Wissen als Biologe von der Evolution in Beziehung bringen", sagt Kummer. In seiner Kirche hat es in dieser Frage in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte gegeben. Immerhin hat Papst Johannes Paul II. 1996 erklärt, dass die Evolutionstheorie mehr ist als eine Hypothese. Dennoch gibt es in der katholischen Kirche Kräfte, die dieses Papstwort nur halbherzig zur Kenntnis nehmen. Ein Ausdruck dafür war ein Artikel des Wiener Kardinals Christoph Schönborn im Jahr 2005 in der "New York Times". Dort vertrat er die Auffassung, Evolution finde nicht durch zufällige Selektion statt, sondern ihr wohne ein göttlicher Plan inne. Das kommt der Position des "Intelligent Design" (ID) sehr nahe. ID ist für Kummer die letzte Stufe des Kreationismus, der die biblischen Schöpfungsberichte wörtlich nimmt.
Kummer sieht in dem Artikel ein fragwürdiges Zurückrudern der katholischen Kirche in Sachen Evolutionstheorie: "Woher nimmt ein Theologe die Autorität zu sagen, ob eine naturwissenschaftliche Theorie wahr oder falsch ist?" Kritik übt er auch daran, dass die katholische Kirche bis heute die Erschaffung der menschlichen Seele aus der Evolutionstheorie herausnimmt. Der Begriff Seele werde dabei nicht nur theologisch verstanden, sondern schließe auch diesseitige Momente wie die menschliche Psyche ein. Das hieße dann aber - und so hat es der katholische Theologe Karl Rahner einmal formuliert: Bei der Zeugung eines Kindes erschaffen die Eltern einen Affen, der erst durch die göttliche Beseelung zum Menschen wird.
Hinter diesen Positionen steht für Kummer die Angst der Kirche vor der Freiheit der aufgeklärten Vernunft. Man befürchte, dass der Mensch, wenn er sich zum Maß aller Dinge macht, jegliche Orientierung verliert und meint deshalb: "Nur der Glaube ist in der Lage, das Licht der Vernunft auf ein erträgliches Maß herunterzudimmen."
Statt Scheuklappen anzulegen, wie Rom es tue, sollten Theologen lieber nach alternativen Visionen suchen, lautet Kummers Appell. Eine solche Vision hat er bei dem französischen Theologen Teilhard de Chardin (1881-1955) gefunden. Dieser übernimmt die Evolutionstheorie vollständig in sein theologisches Denken. Schöpfung findet nicht statt oder neben, sondern durch Evolution statt. "Was macht ein Schöpfer, der durch Evolution schafft? Er macht, dass die Dinge sich machen." Er verleiht den Dingen Kreativität und die Möglichkeit, mehr zu werden. Und das gilt konsequent auch für die Entstehung des Lebens aus anorganischer Materie und für die Entstehung des menschlichen Bewusstseins.
Schillers Wallenstein und Gottes Schöpfung
Gottes Schöpfertätigkeit ist nicht die Tätigkeit eines menschlichen Handwerkes. Die Bibel verwendet für Gottes Schaffen ein hebräisches Wort, dass nie für menschliches Schaffen angewendet wird. Kummer vergleicht Gottes Schaffen mit dem künstlerischen Tun eines Töpfers. Der Töpfer nimmt den Ton in die Hand und bearbeitet ihn auf seiner Drehscheibe, ohne vorher genau zu wissen, wie das Ergebnis aussehen wird.
Auch wenn manche Fragen zum Verhältnis von Schöpfung und Evolution noch nicht beantwortet sind, bleibt bei allen naturwissenschaftlichen Fortschritten doch der Platz für Gott. Wie dieser aussehen kann, das machte Kummer mit einer Geschichte deutlich: Ein Vater kommt zu einem Geistlichen. Sein Sohn hat Kosmologie studiert und ist zu der Erkenntnis gekommen, dass in der modernen Kosmologie kein Platz für Gott sei. "Was kann ich meinem Sohn antworten?" Der Geistliche geht zum Bücherregal und greift zu Schillers Wallenstein. "Schiller kommt im ganzen Walleinstein nicht vor. Und doch ist jede Seite von ihm."
Von Matthias Holluba