Ein Boot unter Besatzung
Christen und Nichtchristen betreiben gemeinsam eine Begegnungsstätte im Müglitztal
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"Es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben lebenswert machen. Mit diesem Zitat des Schriftstellers Guy de Maupassant beginnt die bunt bebilderte Chronik des "Boots, in der die nunmehr zweieinhalbjährige Geschichte des Hauses im 1260- Einwohner-Dorf Schlottwitz dokumentiert ist. So unterschiedlich wie die Menschen in dem Ortsteil von Glashütte ist auch die Art und Weise, wie sie sich in der Begegnungsstätte einbringen: Eine Muttersprachlerin bietet hier regelmäßig Tschechischunterricht an, eine Künstlerin hat ihre Bilder ausgestellt, eine ältere Dame bäckt jede Woche zwei Kuchen und spendet sie für das Begegnungscafé, Israelreisende halten einen Diavortrag, junge Mütter veranstalten eine Krabbelgruppe, eine gestalterisch begabte Frau sorgt für Tisch- und Raumschmuck und bietet entsprechende Kurse an ...Petra Schröter koordiniert als einzige Hauptamtliche alle Aktivitäten im "Boot. Sie gewinnt immer wieder neue Mitwirkende und versucht herauszulocken, was Positives in ihren Mitmenschen steckt. Dabei knüpft sie an manchen Kontakt an, den sie damals noch als Leiterin der Caritas-Sozialstation Glashütte während der Fluthilfe aufgebaut hatte. Auf ihre Initiative hin gibt die Dresdner Tafel seit einem knappen Jahr einmal wöchentlich im "Boot Lebensmittel an Bedürftige aus. Seit April haben die Nutzer der Tafel zudem die Gelegenheit, zuvor bei einer Tasse Tee zusammenzusitzen.
Das Bewusstsein, miteinander im gleichen Boot zu sitzen, wächst unter den Bewohnern des Müglitztals, glaubt die Koordinatorin der Begegnungsstätte. Gerade unter den christlichen Initiatoren gab es anfangs durchaus Skepsis, ob ein Projekt wie das "Boot ausgerechnet in Schlottwitz, einem Ort mit hohem Bevölkerungsanteil an ehemaligen sozialistischen Funktionären, eine Zukunft haben würde. Mittlerweile ist auf beiden Seiten manche Hemmschwelle abgebaut.
Petra Schröter freut sich über Besucherreaktionen, die ihr zeigen, dass das, was den Initiatoren wichtig war, offenbar tatsächlich mit Leben gefüllt worden ist. So begrüßte ein älterer, etwas eigenbrötlerischer Herr, der bei den Kochkursen in der "Boots-Küche seinen Platz gefunden hat, einen Neuankömmling kürzlich mit den Worten: "Hier darf jeder kommen. Hier wird man angenommen, so wie man ist.
Eine jüngere Frau sagte, sie habe keine Angst mehr vor dem Älterwerden, seit sie die aktiven Schlottwitzer Rentnerinnen im "Boot kennengelernt habe. Die zumeist älteren Stammgäste des Begegnungscafés am Donnerstagnachmittag erfahren nicht nur zum Geburtstag die Aufmerksamkeit der übrigen Boots-Besatzung, sondern beispielsweise auch, wenn sie im Krankenhaus sind.
Viele Menschen in Schlottwitz und den Nachbarorten sehen das "Boot nicht als Fremdkörper, sondern als ihr eigenes kulturelles Zentrum. Dass sich bei manchem der Akteure und Besucher dabei auch Berührungsängste zur Kirche abgebaut haben, sieht Petra Schröter als durchaus erwünschten Nebeneffekt. Ihre Stelle wird von der Caritas finanziert, das Gebäude Ersatz für ein durch das Hochwasser zerstörtes Haus stellt die evangelische Kirche. Dass beide Konfessionen in dem Projekt einträchtig zusammenarbeiten, mache die Kirche für Außenstehende attraktiver. Petra Schröter bringt Religion im "Boot eigentlich fast nie zu Sprache, ist aber offen für alles, was ihre Mitmenschen bewegt. Dass jemand sie beiseite nimmt für ein Gespräch über Glauben und Lebenssinn, ist im "Boot keine Seltenheit.
Von Dorothee Wanzek