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Schmetterlinge und Taucherglocker

Pfingsten aus einem anderen Blickwinkel

Pfingsten ist das Fest, das den Blickwinkel auf die Dinge ändern kann, meint Dominikanerpater Bernhard Kohl.

Pater Bernhard Kohl

"Schmetterling und Taucherglocke" lautet der Titel eines sehenswerten Films, der momentan in den Kinos läuft. Es ist die Geschichte des sehr erfolgreichen Journalisten Jean- Dominique Bauby, der im Alter von 43 Jahren einen Gehirnschlag erleidet. Als er nach zwei Wochen aus dem Koma erwacht, ist er nicht nur stumm, sondern auch vollständig gelähmt. Er kann bloß seinen Kopf ein wenig bewegen und mit dem linken Auge blinzeln. Mit diesem Blinzeln seines Auges diktiert Bauby seine Lebensgeschichte.

Äußerst herausfordernd ist hierbei die Schilderung seines Innenlebens: Zunächst droht er an seiner schlimmen und hoffnungslos erscheinenden Situation zu zerbrechen. Der Film verbildlicht diese Momente der Verzweiflung, indem er Bauby als Taucher in einer Taucherglocke unter Wasser zeigt. Bauby schreit aus Leibeskräften und versucht sich in der Eingezwängtheit der Taucherglocke zu rühren. Der Zuschauer sieht aber all das nur, denn der Film hat während dieser Szenen keinen Ton. Bauby ist fast vollkommen von seiner Umwelt abgeschnitten.

Dann erfährt Bauby eine Wandlung: Er erkennt, dass er selbst in seiner Eingeschlossenheit sein Leben noch gestalten und ihm Sinn geben kann. Die Erinnerung an sein bisheriges Leben wird für ihn zum Ort der Geborgenheit. In der Erinnerung kann er jeden Ort seines Lebens erreichen. Und seine Fantasie - so seine zweite Erkenntnis - verleiht den Orten der Erinnerung Zukunft, macht diese Orte lebendig, gestaltbar. Diese Momente deutet der Film durch einen Schmetterling an, der aus einem Kokon schlüpft und dann wunderschön davonfliegt. Immer häufiger sieht man im Film den Schmetterling, bis die Taucherglocke fast in Vergessenheit gerät.

Etwas Ähnliches erleben die Jünger Jesu: Nach dessen Tod am Kreuz sind sie in ihrer Furcht völlig in sich verschlossen. Sie sehen keine Chance mehr für sich und die Sache, an die sie so sehr geglaubt hatten. Erst nach der Begegnung mit dem Auferstandenen schaffen sie es, den Kokon ihrer Verzweiflung aufzubrechen und zu entdecken, welch kraftvolle und schöne Erinnerung an die Zeit mit Jesus sie in sich tragen. Doch allein die Erinnerung genügt nicht. Erst durch die Erfahrung der befreienden Kraft Gottes, durch den Heiligen Geist schaffen es die Jünger, ihre Erinnerungen lebendig zu halten, ihr Leben daraus zu gestalten. Sie erkennen, dass ihre Erlebnisse keine toten Gedanken sind, sondern Wahrheit und Zukunft bedeuten. Der Heilige Geist verleiht ihnen die nötige Fantasie, um die Botschaft vom gekreuzigten Gottessohn als frohe und lebendige Botschaft zu erfahren.

Ich wünsche Ihnen viel Fantasie, um die Welt aus dem Blickwinkel des Schmetterlings betrachten zu können!

Pater Bernhard Kohl OP, Leipzig

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