Gott als Tanzlehrer des Lebens
Erkenntnisse aus einem frühchristlichen Hymnus
Wann haben Sie das letzte Mal getanzt? Allein oder als Paar? Oder mögen Sie es gar nicht?
Tanzen ist so alt wie die Menschheit selbst. Es ist eine unserer stärksten Ausdrucksmöglichkeiten jenseits der Worte, auch wenn sich nicht jeder gleichermaßen dieser Sprache bedienen mag. Die Weisen zu tanzen sind vielfältig, ebenso die Anlässe.
Tanzen ist meist ein gemeinschaftliches Tun, und selbst wenn die Einzelnen für sich tanzen, bewegen sie sich doch zur selben Musik, schwingen sich in einen Rhythmus ein. Tanzen heißt sich führen lassen, von der Musik und ihrem Rhythmus oder vom Tanzpartner. Einer lässt sich auf den anderen ein und muss doch seinen eigenen Schritt finden.
In einem frühchristlichen apokryphen Hymnus auf Jesus fordert dieser die Jünger auf, mit ihm zu tanzen. Er ist der Tanzmeister, der vorangeht und den Rhythmus vorgibt. Im Tanz vermittelt Jesus ihnen die Einsicht in sein bevorstehendes Leiden und lässt sie so "leibhaftig" an seinem Schicksal (an)teilnehmen. "Wer nicht tanzt, weiß nicht, was geschieht. Amen... Wenn du tanzt, dann schau‘, wie ich tanze; denn das Menschen-Leiden, das ich jetzt erleide, ist dein Leiden...", heißt es im Hymnus.
Der Tanz als Bild für unser Leben und Jesus als Tanzmeister darin? Die Vorstellung ist ungewohnt. Die Leichtigkeit und Unbeschwertheit, die sich für viele mit dem Gedanken des Tanzes verbindet, scheint nicht zur Schwere des Alltäglichen und gar des Leides zu passen, allenfalls vielleicht in alten Gemälden vom Totentanz. Heißt Tanzen nicht vielmehr auszubrechen aus dem Alltag, einen Augenblick alles hinter sich zu lassen, Sorgen und Mühen zu vergessen, einfach da zu sein?
Ich glaube, dass tatsächlich die Leichtigkeit und Unbeschwertheit des Tanzes - und das Miteinander darin - ihn zum Bild für das Ganze des Lebens werden ließen. Wenn wir uns von Jesus als Meister des Tanzes durch die Höhen und Tiefen des Lebens führen lassen, dürfen wir auf die Verwandlung auch des Dunklen und Schweren hoffen, dann überhaupt können wir tanzen, wie Mechthild von Magdeburg es beschreibt: "Ich tanze, Herr, wenn du mich führest / Soll ich sehr springen, musst du anfangen zu singen. Dann springe ich ... in die Erkenntnis, / von der Erkenntnis in den Genuss ..."
Ich wünschte mir und uns oft mehr von dieser Leichtigkeit und Lebens- Zuversicht, geführt und beflügelt von Gottes lebensschaffendem Geist, der uns löst von unserer manchmal allzu großen Erdenschwere.
Angela Degenhardt,
Gemeindereferentin in Halle