Die Gunst der Stunde
In Halle wurde an die Wiedererrichtung einer katholischen Pfarrei vor 200 Jahren erinnert
Studenten, vor allem aber Soldaten mit ihren Familien und auch Handwerker und Kaufleute brachten nach der Reformation im 17. Jahrhundert wieder den katholischen Glauben nach Halle. Sie wurden zunächst im privaten Raum von Franziskanern seelsorglich begleitet. Die Stadtbehörden gingen meist relativ wohlwollend mit den katholischen Christen um. Erst 1808 aber durfte unter französischer Herrschaft wieder eine Pfarrei errichtet werden.
Um daran zu erinnern, hatte Propst Reinhard Hentschel zu einer Feststunde gebeten und - ein wenig den eben genannten Personengruppen entsprechend - besonders Vertreter von Universität und Militär, der Stadt, der Franziskaner, der evangelischen Christen und des Bistums in den Festsaal im Haus der Schwestern von der heiligen Elisabeth eingeladen. Musikalisch wurde der Festakt exellent von einem aus Absolventen des Rundfunkjugendchores Wernigerode bestehenden Doppelquartett junger Frauen und Männer gestaltet. Im Zentrum stand ein Vortrag des Geistlichen Rates, Pfarrers und Kenners der Bistumsgeschichte, Peter Zülicke, aus Staßfurt. Zülicke machte deutlich, dass es bereits im 18. Jahrhundert den Franziskanern gelang, den katholischen Christen in Halle trotz äußerer Armut ein Stück Heimat zu geben. 1792 habe die katholische Schule in Halle fast 100 Schüler aus Soldatenfamilien gehabt.
Der Seelsorger Franz-Josef Vahron habe 1808 wachen Sinnes die Gunst der Stunde erkannt und durch seine Aktivitäten die behördliche Anerkennung einer katholischen Pfarrei in Halle angestoßen, was dann auch geschah.
Generalvikar Raimund Sternal hatte zuvor in seinem Grußwort betont, dass sich Kirche ihre Rahmenbedingungen nicht aussuchen kann. Christen seien stets gefordert, zu fragen, was Gott ihnen für eine Aufgabe zugedacht hat. Der evangelische Propst Martin Herche überbrachte die guten Wünsche der evangelischen Christen. Die teilweise schwierigen Verhältnisse in der Geschichte zeigten, wie nötig ein gutes ökumenisches Miteinander ist. Als Vertreterin der Universität erinnerte Professorin Regina Radlbeck-Ossmann daran, dass es in der Kirche der nüchternen Realisten, aber auchder "Trunkenen" bedarf. Die Provinzoberin der Schwestern von der heiligen Elisabeth, Dominika Kinder, berichtete vom Wirken ihres Ordens in Halle seit gut 100 Jahren. Goswin van Rissenbeck vom Eigenbetrieb für Arbeitsförderung der Stadt überbrachte Grüße aus dem Rathaus.
Bischof Gerhard Feige ging einen Tag später bei der Fronleichnamsfeier der Gemeinden Halles auf das Jubiläum ein. Er forderte die Katholiken auf, sich ihre "Weite und Offenheit des Geistes" zu bewahren und weder kleinkariert noch engherzig zu werden. Katholisch zu sein bedeute ja, in einer 2000-jährigen Tradition zu stehen und mit Ortskirchen in aller Welt verbunden zu sein. Darüber hinaus gelte es, den "herzlichen Kontakt" mit den anderen christlichen Kirchen zu pflegen und mit den verschiedenen Religionen im Gespräch zu sein. Schließlich, so Bischof Feige, sei die Kirche zu allen Zeiten herausgefordert, die jeweiligen Verhältnisse im Vertrauen auf Gottes mitzugestalten.
Von Eckhard Pohl