Wege zurück ins Leben ebnen
Eine ehemalige Kindersoldatin aus Uganda über ihr Schicksal und wie sie sich mit Missio engagiert
Eine zierliche Persönlichkeit mit einem Schicksal, das sie mit bewundernswerter Stärke schultert - so lernen die Gäste die ehemalige Kindersoldatin China Keitetsi in der Gemeinde St. Norbert in Magdeburg-Buckau bei einem Begegnungstag kennen, zu dem die Abteilung Jugendpastoral und die Missio-Stelle des Bistums Magdeburg eingeladen haben.
Die Zuhörer tauchen in eine Welt ein, die schwer vorstellbar ist: Kämpfe, Vergewaltigungen, Demütigungen. China Keitetsis Bücher "Sie nahmen mir die Mutter und gaben mir ein Gewehr" und "Tränen zwischen Himmel und Erde", aus denen Passagen gelesen werden, beschreiben dies sehr eindrücklich. Besonders die Mädchen liegen China Keitetsi im anschließenden Gespräch am Herzen. Sie sind es, die nicht nur die Kämpfe durchstehen müssen, sondern von Soldaten und Offi zieren sexuell missbraucht werden und oft mit zwölf oder 13 Jahren bereits Mutter werden. "Ohne dass sie wissen, was es heißt, Mutter zu sein, ohne dass sie sich wehren konnten, ohne dass die ,Väter‘ auch nur einen Gedanken an ihre im Missbrauch gezeugten Nachkommen verwenden."
Als 14-Jährige hat sie gleiches erlebt. Zehn Jahre ist sie als Kindersoldatin in der ugandischen Rebellenarmee, bis ihr die Flucht gelingt. Mit Hilfe des Flüchtlingsdienstes der Vereinten Nationen erhält sie in Dänemark Asyl und kann ein neues Leben anfangen.
Ihre Mission ist klar. Sie will sich nicht "in Dänemark zurücklehnen, ihr altes Leben vergessen und es sich gut gehen lassen". Sie möchte aufklären und angesichts von etwa 300 000 Kindersoldaten weltweit die Menschen wachrütteln. Keitetsi ist dabei, mit Unterstützung von
Missio und einer einheimischen Schwesterngemeinschaft ein Zentrum in Ruanda zu gründen, das 30 ehemaligen Kindersoldaten den Weg zurück in ein normales Leben ermöglichen soll. Missio unterstützt im Rahmen der "Aktion Volltreffer" dieses und weitere Projekte für Kindersoldaten. Bei den Kindern findet während des Begegnungstages die "Aktion Volltreffer" großen Anklang: Unter dem Motto "Auf Tore schießen statt auf Menschen" unterstützen sie beim Torwandschießen die Projekte auf sportliche Weise, während die Erwachsenen Keitetsi lauschen.
"Wir wollen angesichts des Schicksals von hunderttausenden Kindern verdeutlichen, wie wichtig die Hilfe für traumatisierte Kindersoldaten ist", erklärt Diözesanjugendseelsorger Stefan Hansch. "Unsere kirchlichen Projektpartner in Afrika helfen den Mädchen und Jungen, ihre seelischen Verletzungen zu bewältigen", ergänzt Missio-Referentin Bernadette Albrecht.
Mit einer Andacht für den Frieden fi ndet die Veranstaltung ihren Ausklang. Es entsteht ein Schmetterlings- Mobile, mit dem die Teilnehmer Keitetsi ihre Wünsche mit auf ihren wichtigen Weg geben. Keitetsi: "Ich habe gelernt, wie viel Glück ich hatte, fliehen und wieder frei leben zu können. Meine Freiheit schulde ich den Kindersoldaten, vor allem den Mädchen, die noch dort draußen sind."
Wer helfen will: www.missio.de; www.volltreffer.de
Biografisches
Das eigene schlimme Schicksal überwunden
1976 China Keitetsi wird in Westuganda geboren. Ihr Vater misshandelt sie als kleines Mädchen so schwer, dass sie von Ärzten behandelt werden muss.
1984 Sie reißt aus, um ihre Mutter zu suchen, die von Chinas Vater verstoßen wurde. Auf ihrer Suche wird sie von der National Resistance Army aufgegriffen. Unter Führung des heutigen Präsidenten Museveni kämpft diese Armee gegen den umstrittenen Wahlsieger Obote um die Macht in Uganda. "Zehn Jahre lang musste ich ein Leben führen, das für die meisten Menschen unvorstellbar ist", sagt sie. "Von meinem geschundenen Körper und meiner verletzten Seele ging nur noch ein schwacher Funke aus." Als Kindersoldatin wird sie vielfach von höherrangigen Soldaten vergewaltigt.
1991 Sohn Moses wird geboren
1995 Keitetsi flieht nach Südafrika, bringt ihre Tochter zur Welt, Vom ugandischen Geheimdienst verfolgt, lässt sie verzweifelt ihr Kind bei einer Nachbarin zurück.
1999 Keitetsi wird mit Hilfe des UN-Flüchtlingshilfswerkes nach Dänemark gebracht, wo sie Asyl erhält. Um ihr Trauma zu bewältigen, wird ihr empfohlen, das Geschehene aufzuschreiben. Ihr Buch "Sie nahmen mir die Mutter und gaben mir ein Gewehr" entsteht.
2002 Keitetsi wird zu einer UN-Versammlung in New York eingeladen. "Plötzlich wurde ich von Kofi Annan empfangen, damit die Mächtigen dieser Welt meine Geschichte hörten."
2005 Zusammenarbeit mit Missio
2006 China Keitetsi wird vom Bundespräsidenten Horst Köhler im Rahmen der "Aktion Volltreffer" empfangen. Sie bittet Missio um Hilfe bei der Suche nach ihrem Kind. Nach zehn Jahren der Trennung feiert sie das Weihnachtfest mit ihrer Tochter.
2007 Ihr Buch "Tränen zwischen Himmel und Erde - Mein Weg zurück ins Leben" erscheint. Sie reist mit Missio-Vertretern nach Ruanda, wo sie mit Hilfe von Bischof Servilien Nzakamwita ein Kinderschutzzentrum aufbaut.
2008 China Keitetsi wird vom Papst empfangen.