Den Schatz des Evangeliums immer wieder neu entdecken und weiterschenken
Domkapitular Gerhard Stöber möchte mit den Christen in Mühlhausen Kirche vor Ort sein
Herr Domkapitular, nach fast zwanzig Jahren als Leiter des Seelsorgeamtes wechseln Sie im Sommer in die Pfarrseelsorge. Was waren die Gründe für Ihre Entscheidung?
Seit 1988 bin ich der Leiter des Seelsorgeamtes. Also konnte ich diese Aufgabe 20 Jahre wahrnehmen. Jetzt freue ich mich, noch einmal eine neue Aufgabe angehen zu können, als Pfarrer der katholischen Pfarrei in Mühlhausen. Nach einer langen Zeit, die mehr die Verantwortung im Bistum zur Aufgabe hatte, möchte ich gern konkret mit den Gläubigen Kirche vor Ort sein.
Was nehmen Sie mit nach Mühlhausen? Welche Akzente möchten Sie setzen?
Äußerlich natürlich das Inventar meiner Wohnung. Innerlich die Begegnung mit vielen Menschen, die ich im Laufe der Jahre kennen, lieben oder schätzen gelernt habe. Dazu natürlich manche Überlegungen, was für die Seelsorge heute und morgen wichtig ist. Die Akzente in Mühlhausen werden sich erst ergeben, wenn ich die Pfarrei kennengelernt habe und wir uns als Gemeinde miteinander diese Frage stellen. Aber es bleibt immer der Grundauftrag, miteinander - auch stellvertretend für unsere Mitmenschen - Gottesdienst zu feiern, sich der Anliegen der Menschen anzunehmen und zu helfen, dass das Evangelium "unter die Leute" kommt und das bei aller eigenen Begrenztheit.
Derzeit begleiten Sie den Prozess im Bistum, der die Nachhaltigkeit des Elisabeth-Jahres sichern soll. Wie weit ist man vorangekommen, was würden Sie sich wünschen?
Wie Sie sagen, ist dies ein Prozess. Es geht ja um mehr, als nur einen Auftrag abzuarbeiten. Wichtig ist, dass wir den Kurs beibehalten, Kirche für die Menschen in unserem Land zu sein, wie es schon an kleinen und größeren Aufbrüchen zu sehen ist. Bischof Aufderbeck verglich die Kirche gern mit einem Ofen, der nicht da ist, sich selber zu wärmen, sondern andere. Ich wünsche mir, dass wir dies immer mehr verinnerlichen, Kirche für die Menschen zu sein. Die Gefahr ist wohl zu allen Zeiten, dass die Kirche oder eine Gemeinde sich selbst genügt. Außerdem wünsche ich mit, dass wir das Evangelium für uns selber immer mehr als Schatz entdecken, dann aber diesen Schatz auch anderen vorstellen und anbieten.
Rückblickend auf Ihre Zeit in der Leitung des Seelsorgeamtes: Was hat sich in den zwanzig Jahren verändert, welche Impulse konnten gesetzt werden?
Ich möchte es nicht so sehr von der Leitung des Seelsorgeamtes her sehen, sondern eher: Was hat sich in unserer Ortskirche verändert? In der Zeit seit der Wende hat sich doch vieles gewandelt. Unsere Gemeinden mussten sich den gesellschaftlichen Veränderungen stellen. Der Wegzug gerade junger Leute ist in den Orten spürbar und ist vor allem in kleinen Gemeinden eine große Herausforderung. Wir sind als Kirche auf einmal ein Angebot neben anderen. Das fordert gerade junge Christen neu zur Entscheidung für ihren Glauben heraus. Es bleibt die Frage, wie die Kirche in einer offenen Gesellschaft Kirche sein kann und soll. Als Impuls sehe ich am stärksten unser gemeinsames Bemühen, das Evangelium auf sehr unterschiedliche Weise auf den Leuchter zu stellen.
An welchen Moment, welche Begegnung im Amt denken Sie gerne zurück?
Die guten Begegnungen kann ich gar nicht alle aufzählen. Wenn ich eine Gruppe besonders benennen sollte, dann sind es die vielen Diakonats- und Kommunionhelfer, denen ich begegnet bin. Auch die Begegnungen mit den Kollegen der anderen Diözesen waren immer eine Bereicherung für mich.
Gab es etwas, was Sie ärgerlich machte?
Wenn nicht der Alltagsärger gemeint ist, dann am ehesten meine eigene begrenzte Sicht der Dinge. Da bin ich auch zugleich denen dankbar, die mir hier Horizonterweiterung geschenkt haben.
Abschließend eine Frage in Richtung Zukunft. Wie kann das Christentum, wie kann die Kirche in der Diaspora Zukunft haben?
Da müssen Sie Christus selber fragen, denn es ist ja seine Kirche. Was wir tun können, ist eine einladende und offene Kirche zu sein, in der das Gotteslob weiter erklingt, die ihren Glauben vertieft und auskunftsfähig wird und im Gebet und Tun für andere da ist. Hier finde ich unser "Gebet für Thüringen" eine gute Gebetsanregung.
Fragen: Holger Jakobi