Wenn die Worte erst noch wachsen müssen
Die rechten Worte finden
Ich habe grad nichts zu sagen. Nein, nein - nicht, weil es keinen interessiert und ich im Moment "nichts zu melden" habe. Manchmal fällt mir einfach nichts ein, was ich für wichtig genug halte, dass ich es laut sagen muss oder aufschreiben möchte. Oder ich bin unsicher, wie weit ich hinter dem stehe, was ich sagen würde und lasse es dann lieber sein ...
Darf man darüber schreiben, dass man eigentlich nicht weiß, was man sagen soll? Es ist nicht allzu üblich, darüber zu sprechen, obwohl es doch einige Situationen gibt, die Menschen sprachlos machen können. Gelegentlich ist eine Situation oder eine Nachricht so grotesk, dass einem dazu einfach nichts mehr einfällt. Nicht zu reden davon, dass es zum Nachteil werden kann, wenn jemand tatsächlich schweigt, wenn er nichts zu sagen hat, weil er nicht wirklich weiß, worum es geht. Es scheint oft besser anzukommen, wenn man versucht mitzureden und den Anschein zu erwecken, dass man Bescheid weiß. Mir geht es öfter so, dass ich eben nicht weiß, was ich sagen soll und damit bin ich vermutlich in guter Gesellschaft.
Wenn man in einem Gespräch nicht mithalten kann, weil man von der Sache nicht allzu viel versteht, ist das oft nicht von Belang. Ganz anders ist es aber, wenn ein helfendes oder tröstendes Wort, ein guter Rat gefragt sind und es einem ausgerechnet dann die Sprache verschlägt. Wenn Menschen mit Leid, Krankheit und Tod konfrontiert sind, fällt es oft schwer, die richtigen Worte zu finden. Vielleicht sind die aber auch nicht so entscheidend, sondern eher, dabei zu bleiben und notfalls die Sprachlosigkeit miteinander zu teilen.
Etwas ganz anders ist es aber, wenn Menschen eine tiefe, beglückende Erfahrung machen. Da kann es geschehen, dass das Herz voll ist und der Mund dennoch nicht überläuft, weil die Sprache fehlt, mit der man treffend beschreiben kann, was einen erfüllt.
In Michael Endes Roman "Momo", darf das Mädchen in ihr eigenes Herz schauen und erkennen, wie wunderbar das Geschenk jedes Augenblicks ist. Sie möchte das unbedingt allen Menschen erzählen, die sich ihre Lebenszeit von Zeitdieben stehlen lassen. Aber das ist nur möglich, wenn sie bereit ist, ein Jahr zu warten, damit die richtigen Worte in ihr wachsen können.
Das sind fast entgegensetzte Gründe, warum man manchmal nichts zu sagen hat. Der Alltag liegt dazwischen. Aber auch da gilt, dass es manchmal Zeit braucht, damit in mir wachsen kann, was ich auch sagen soll.
Als Christen dürfen wir auf Jesu Zusage vertrauen, dass sein Geist uns lehren wird, was wir reden - und tun - sollen.
Angela Degenhardt,
Gemeindereferentin, Halle