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Zwischen Baumgrab und modernem Urnenhain

Katholisches Forum und Evangelische Stadtakademie hatten auf den Hauptfriedhof eingeladen

Erfurt. "Nach dem Tod möchte ich niemandem zur Last fallen", so die Meinung vieler, die sich für eine anonyme Bestattung entscheiden. Was sie nicht berücksichtigen, ist die Tatsache, dass zu ihrem Leben der Name gehört und dass Hinterbliebene einen Ort zum Abschiednehmen brauchen.

Das Projekt Baumgräber auf dem Hauptfriedhof: Wer hier die letzte Ruhe sucht, ist naturverbunden, muss aber auch die Konsequenzen tragen, da eine Beisetzung endgültig ist. Umbettungen sind nicht mehr möglich.

Mit einem eigenen Friedwaldprojekt - den Baumgräbern - möchte das Garten- und Friedhofsamt der Stadtverwaltung Erfurt all jenen entgegenkommen, die eine Beisetzung in freier Natur wünschen und herkömmlichen Bestattunsformen skeptisch gegenüberstehen, berichtet Evelin Schlag, die am 26. Juni die Teilnehmer einer Veranstaltung der Evangelischen Stadtakademie "Meister Eckart" und des Katholischen Forum im Lande Thüringen über den Erfurter Hauptfriedhof führte. Die beiden Bildungsträger - die Moderation übernahm Pfarrer Aribert Rothe von der Stadtakademie - hatten zur Veranstaltung "Happy End auf dem Friedhof. - Letztes Event oder Zeichen der Hoffnung?" eingeladen.

In der Familie die Möglichkeiten besprechen


Deutlich wurden bei der Veranstaltung die Umbrüche, die sich gegenwärtig in der Bestattungskultur feststellen lassen. So habe sich das Projekt Friedwald als Möglichkeit erwiesen, innerhalb des geschützen Raumes Friedhof eine besondere Alternative anzubieten. Und der Preis - rund 1850 Euro für eine Beisetzung - schrecke die Interessenten nicht. "Wer dies wolle, der zahlt auch den Preis", betonte Evelin Schlag und verweist zudem auf die Vorteile. So entstehen keine weiteren Kosten, Einzel- wie Familiengräber sind an den Bäumen möglich, die Grabstellen auf dem Friedhof sind vor wilden Tieren geschützt - da gerade Wildschweine in freiliegenden Friedwäldern gerne die Urnen ausgraben - und auch eine Namensnennung mittels Platte in der Wiese ist möglich. Doch es gibt auch Nachteile, über die sich die Interessenten und deren Angehörigen im Klaren sein müssen: Eine spätere Umbettung ist nicht möglich und auch die individuelle Trauer ist eingeschränkt. So sind Blumen und andere Grabbeigaben unerwünscht, da sie dem Charakter der Anlage nicht gerecht werden. Was aber durchaus möglich ist, das ist ein Picknick auf der Wiese, zu dem die Familie sich im kleinen Kreis versammeln kann. Evelin Schlag weist deshalb darauf hin, dass die Familien im Vorfeld über all diese Dinge sprechen sollten, um möglichen Problemlagen aus dem Weg zu gehen.

Eine andere moderne Form der Bestattung sind die kleinen Urnengemeinschaftsanlagen, die kostengünstig sind. Rund 900 Euro für 20 Jahre Ruhezeit, inklusive Pflege und Bepflanzung. Wobei die 20 Jahre erst mit dem Ablauf der letzten Beisetzung enden. Evelin Schlag betont, dass mit Einführung dieser Möglichkeit die Zahl der anonymen Bestattungen stark rückläufig ist. Viele überzeugt die Möglichkeit der Namensnennung des Verstorbenen.

Der Name des Menschen gibt ihm Würde


Die Kirchen betonen ohnehin seit langem, dass diese Namensnennung wichtig ist: Der Name gehört zum Menschen, gibt ihm Würde und auch den Trauernden hilft die genaue Kenntnis des Beisetzungsortes ihrer Angehörigen beim Abschiednehmen. Evelin Schlag weiß aus ihrer Arbeit, wie schwer es für Hinterbliebene sein kann, ohnmächtig vor einer großen anonymen Anlage zu stehen.

Erfahrungen die Simone Meinel, die Friedhofsreferentin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen teilte. Meinel sprach im Anschluss an die Führung zum Thema des Tages in der kleinen Trauerhalle. Dabei stellte sie die Bedeutung der Grundzüge christlicher Bestattungskultur heraus, welche die Persönlichkeit der Menschen in die Mitte stellt und den Leib nicht als leere Hülle begreift, die es nur zu entsorgen gilt. Die Referentin sprach sich zudem gegen den Zeitgeist aus, in dem viele Menschen meinen, sie wollten nach ihrem Tod niemandem zur Last fallen. Die Modelle auf dem Erfurter Friedhof seien zwar gute Möglichkeiten, doch die individuelle Pflege der Gräber biete besondere Chancen der Trauer und der Erinnerung an die Toten. Dabei, so Simone Meinel, müsse Grabpflege nicht teuer oder zeit-intensiv sein. Schon eine Bepflanzung mit Efeu gäbe dem Grab eine eigene Schönheit und Würde.

Den Friedhof (der Bergriff leitet sich von umfriedetem, geschütztem Ort ab) würdigte Meinel als Ort des Gedenkens, der Besinnung und der Anteilnahme. Er sei zudem eine Stätte, an der sich die Trauernden in einer Art Solidargemeinschaft treffen können und die somit zur Kommunikation untereinander anrege. Friedhöfe vermitteln eine Lebenshaltung, welche die Sterblichkeit nicht ausschließe, sondern ins Leben integriere. Simone Meinel betonte: "Was uns allen in der Trauer bleibt, ist die Gewissheit, dass unsere Beziehungen zueinander im Tod nicht enden." Gerade daher sei eine Rückbesinnung auf die Tradition so wichtig, da sie zum Leben verhelfe: Der Sarg gehöre zum Abschiednehmen in die Kirche, der Name aufs Grab und der Friedhof in den Ort.

Von Holger Jakobi

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