Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!

Experimentieren ist angesagt

Dessauer Christen nahmen bei Kirchweih-Jubiläum Fragen der Zukunft des Glaubens in den Blick

Dessau-Roßlau. Die Katholiken in Dessau stellen sich der Frage nach der Zukunft des Glaubens. Anlässlich der 150. Wiederkehr der Weihe ihrer Propsteikirche St. Peter und Paul führten sie eine Umfrage durch. Zudem diskutierten Gäste verschiedenster Wirkensbereiche das Thema.

Reges Treiben herrschte beim 150. Kirchweih-Jubiläum der Propstei St. Peter und Paul in Dessau. Zugleich wurde aber auch über die Zukunft christlichen Engagements in der Elbestadt nachgedacht.

Während der Festakademie beim Kirchweih-Fest am 28. Juni wurde Klartext gesprochen: Sowohl Organisationsberater Valentin Dessoy, Mainz, als auch Pfarrer Christian Vornewald, Magdeburg, machten unmissverständlich die Situation deutlich: "Über Jahrhunderte hat die Kirche kulturgestützt gelebt", sagte Pfarrer Vornewald. Dies sei vorbei. Doch auch als Gegenkultur, wie dies in der DDR Praxis war, könnten sich Christen heute nicht mehr positionieren. "Wir müssen wieder lernen, dass es uns um die Menschen geht, und erkennen, was uns mit ihnen verbindet und wo wir gemeinsam Antworten versuchen können ."

Im Alltag ist die Kirche für viele bedeutungslos


Vieles von dem, was Kirche im Innenraum in ihren Glaubensvollzügen praktiziere, könne man "den Leuten außerhalb gar nicht vermitteln", so der Seelsorger. Es komme heute darauf an, neue, gemeinsame Lebensräume zu entdecken, wo der Glaube erlebbar wird, zum Beispiel, indem Christen und nicht getaufte Mitmenschen gemeinsam pilgern gehen.

"Die Zukunft der Kirche ist nicht rosig", betonte auch der Organisationsberater und Theologe Dessoy, der bereits das Bistum im Prozess des Pastoralen Zukunftsgesprächs begleitet hatte. Die Menschen hierzulande nutzten christliche Angebote für die Feier ihrer Lebenswenden. "Für ihren Alltag aber ist die Kirche bedeutungslos." Hinzu komme der "dramatische Rückgang an personellen und finanziellen Ressourcen". In der Vergangenheit sei die Kirche in der DDR "stark binnen-, liturgie- und priesterorientiert" gewesen. Heute stehe eine "innere Erneuerung" an: Es gelte, manch Überkommenes zu unterbrechen, zu experimentieren und bereit zu sein, Fehler zu machen, um neue Möglichkeiten zu entdecken. Zudem müssten Prioritäten gesetzt werden. Die Leiterin der Evangelischen Stadtmission vor Ort, Marlies Hartmann, betonte, im sozialen Bereich komme es als Kirche darauf an, "zu zeigen, was den Unterschied macht".

Landtagspräsident Dieter Steinecke machte auf die wichtige Rolle der Kirche im Blick auf das Wertebewusstsein und eine solidarische und gerechte Welt deutlich. Zudem erinnerte er an die Notwendigkeit eines immer engeren ökumenischen Miteinanders. Joachim Landgraf vom Anhaltischen Theater Dessau rief die rund 150 Zuhörer angesichts von zunehmender Orientierungslosigkeit leidenschaftlich zu eigenem Engagement auf. Kirche und Kultur stellten in der Gesellschaft die notwendige Sinnfrage.


Vielschichtige Antworten bei relativ geringer Beteiligung


Bereits seit Anfang des Jahres waren Christen wie Nichtchristen der Stadt eingeladen, auf einem Fragebogen anonym, aber mit Angabe von Alter, Geschlecht und Konfession zu beantworten: Was erwarte ich von der Kirche? Und: Wozu soll es die Kirche in Zukunft geben? Teilnehmer konnten ihren Antwortbogen an fünf Orten in der Stadt einwerfen. Auch in der Tageszeitung wurde darauf aufmerksam gemacht. An der Umfrage beteiligten sich nach Angaben von Elke Meyer vom Gemeindeverbundsrat 80 Personen, unter ihnen 25 Schüler (Liboriusgymnasium) und junge Leute. Von den 21- bis 30-Jährigen gab nur eine Person einen Bogen ab, in drei weiteren Altersgruppen waren es jeweils zwischen 15 und 17.

Das Spektrum der dargelegten Erwartungen sei sehr breit, so Frau Meyer. Schüler etwa sagen: Die Kirche kann bleiben wie sie ist. Sie soll ihre Arbeit in Kita, Schule, Heimen weiterführen. Nicht getaufte unter den Schülern hätten positiv deutlich gemacht, dass sie sich der besonderen Chancen eines kirchlichen Gymnasiums bewusst sind. Bei Umfrageteilnehmern mittleren Alters sei "der Wunsch nach Entlastung" spürbar: "Die Kirche soll mehr Jugendarbeit machen." Aber auch "Die Priester könnten sich besser auf die Predigt vorbereiten" war zu lesen. Es wurden aber auch Wünsche nach Veränderungen oder Profilierung geäußert wie "Die Priester sollten sich ausschließlich seelsorglichen Aufgaben widmen können." Und: "Wir brauchen mehr seelsorglich ausgebildete Laien."

Zu den Feierlichkeiten luden Gemeinde und Mitchristen aus dem weiteren Gemeindeverbund zu einem umfangreichen Programm ein. Dazu gehörten ein historischer Rückblick genauso wie ein vielseitiges buntes Programm. Am Sonntag feierte Ordinariatsrat Ulrich Lieb in Vertretung des Bischofs mit der Gemeinde die Eucharistie. Unter den Festteilnehmern waren auch 28 Gäste aus dem russischen Tutajew (Partnerschaftsaktion Ost) und fünf aus Kaisyadorys und Kruonis in Litauen (Bistumspartnerschaft).

Von Eckhard Pohl

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps