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Luther ohne Antworten

Musical "Martin L" soll auf den Erfurter Domstufen die menschliche Seite Luthers zeigen

Erfurt. Zur Werkeinführung des Musicals "Martin L.", das bis 20. Juli im Rahmen der Erfurter Domstufen-Festspiele aufgeführt wird, stritten Theologen und Künstler am 30. Juni im vollbesetzten Großen Saal des Erfurter Theaters über eine angemessene Darstellung Martin Luthers.
Dass ein Musical über Martin Luther in mehrfacher Hinsicht eine schwierige Aufgabe ist, darüber waren sich Theologen wie Theatermacher bei der als Podiumsdiskussion gestalteten Werk-einführung zu "Martin L." gleichermaßen einig. Einerseits ist der Reformator nach wie vor eine sehr umstrittene Persönlichkeit, sein Handeln und seine Wirkung werden ganz unterschiedlich wahrgenommen. Andererseits lebt die Form des Musicals von der Liebesgeschichte, doch damit "ist das schwierig bei Luther", weiß der evangelische Theologe Volker Leppin von der Universität Jena wie auch sein katholischer Kollege Otto Hermann Pesch aus Hamburg.

Der Kompromiss heißt in diesem Fall: "Das Stück baut auf historischen Fakten auf, spiegelt sie aber nicht wider", sagt der verantwortliche Verlagslektor Stephan Kopf. Auf bekannte Stationen wie Thesenanschlag und Reichstag zu Worms verzichtet das Musical so wenig wie auf Papst Leo X., den Bauernkriegstreiber Thomas Münzer und die Schlacht bei Frankenhausen, mit der das Bühnenstück endet, verrät der Berliner Lektor. Darüber hinaus wurde jedoch eine Liebesgeschichte erdacht und ein zweifelnder Fragensteller namens "Jörg" führt als zweite Hauptfigur in und durch die historische Handlung des jungen Luthers.

Die Theologen bleiben skeptisch: "An einem Musical über ihn hätte Luther sicherlich seine Freude gehabt", schätzt der renommierte Lutherforscher Otto Hermann Pesch den Wittenberger Reformator als selbstironisch genug dafür ein, woraufhin Volker Leppin zustimmend nickt. Doch beide quäle die Frage, "welches Bild von Luther transportiert wird".

Verlagslektor Stephan Kopf versucht zu beruhigen: In "Martin L." gehe es vorrangig um den Mensch Luther und seine Gedanken. "Die Überlegung war, Fragen zu stellen und bewusst keine Antworten zu geben", so Kopf.

Fragen wirft auch das Bühnenbild mit den überdimensionalen Nägeln auf den Erfurter Domstufen auf. Der Dramaturg des Musicals bietet dazu verschiedene Assoziationen an: "Thesenanschlag, Kreuzigung, Luther als Stachel im Fleisch der katholischen Kirche", zählt Arne Langer auf. "Der Nagel könne aber auch etwas Verbindendes sein, wenn auch nicht ohne Schädigung", so der Chefdramaturg des Erfurter Theaters. Damit schien Langer den Deutungshorizont des Musicals auf die Ökumene erweitern zu wollen.

Im Blick auf die beginnende Dekade zum Lutherjahr 2017 sagte der Theologe Volker Leppin: "Die Aufgabe schlechthin ist die ökumenische Verständigung. Wenn das Musical dazu beiträgt, dann ist es der richtige Umgang damit." Der Ökumeniker Otto Hermann Pesch erwartet von katholischer Seite bis 2017 eine vollständige öffentliche Rehabilitierung Luthers und hoffe auf das Musical als "Impuls, beiderseits unsere Vorurteile zu überprüfen".

Angesichts der großen Resonanz in der Fachwelt schon vor der Premiere des Stücks und des großen Interesses zur Werkeinführung hoffe Arne Langer, dass bei den diesjährigen Domstufen- Festspielen "erstmals der Inhalt des Bühnenstücks im Mittelpunkt stehen könnte".

Von Uwe Naumann