Thema: Religiöse Kinderwoche 2008
Voll das Leben
Thema: Religiöse Kinderwoche 2008
Der Titel liest sich locker und launig: "Voll das Leben" heißt die Überschrift zur Religiösen Kinderwoche (RKW) 2008. In den Sommerferien werden sich viele hundert Kinder auf "das Leben in Fülle mit Jesus Christus" einstimmen.
Was hinter dem Titel steckt, ist "voll schwierig". Die RKW lässt sich auf ein Thema ein, das selbst für Erwachsene schwere Kost ist: die Selbstaussagen Jesu im Johannesevangelium. Altgedienten Kirchgängern bieten diese oft gehörten Sätze kaum Anstoß. Kinder sind da kritischer. "Ich bin die Wahrheit." Was soll das heißen? Und was hat man darunter zu verstehen, wenn eine Person nicht nur den Weg zeigt, sondern der Weg ist? Dorothea Dubiel, Pastoralreferentin aus Schwerin, hat die Federführung bei der Ausarbeitung des RKW-Materials 2008. Sie weiß, dass der theologisch schwierige Stoff kein Selbstläufer ist. "Das Thema kann voll in die Hose gehen", räumt sie ein. "Aber es kann auch genial werden. Ich tippe mal darauf: Es wird genial.""Hereinspaziert, ich bin die Tür"
Erster Schritt in jedem Themenbereich ist es, die Kinder bei ihren eigenen Erfahrungen zu packen. "Hereinspaziert, ich bin die Tür", ist das Motto des ersten RKW-Tages. "Kinder wissen, was Türen bedeuten", erklärt Dorothea Dubiel. "Sie kennen Türen, die abgeschlossen sind, Türen, die einen Zugang zu einem Lebensraum geben. Aber ich kann auch die Tür hinter mir zumachen, wenn ich für mich sein will und einen Schutzraum suche." Kann es sein, dass jeder Mensch für andere eine Tür zu neuen Lebensräumen ist? Dass er seinerseits Menschen braucht, die als Paten, Eltern, Freunde wie Türen im Leben funktionieren? "Mein eigenes Gesicht kann schon ein Türöffner sein."
Die Erfahrung der Kinder, bei der Tür ohne Weiteres gegeben, wird bei den anderen Themen nicht so leicht zu greifen sein. Hirten tauchen als Nebenfiguren der Weihnachtskrippe auf; dass der Hirtenberuf mit Mühe und Gefahr für Tier und Mensch verbunden sein kann, das muss man erst einmal erklären. Oder man kann es spielen: in einem (selbst gebastelten) Brettspiel müssen die Teilnehmer ihre Schafherde gegen Wölfe verteidigen, vor Steppenbränden davonlaufen, ausgebüchsten Tieren hinterherrennen, Klauen pflegen, Wolle scheren und auf Regen warten, damit die Herde nicht verhungert. Wer es noch lebensnäher haben will, sollte eine richtige Schafherde mit einem richtigen Hirten besuchen.
Jesus war nicht einer von den vielen
Bleibt die Frage, wohin das Bild des Hirten im Johannesevangelium führen soll. Um es zu verstehen, muss man sich auf den Weg in die Welt der ersten Christen machen. Dorothea Dubiel: "Die Situation im ersten Jahrhundert war gar nicht so verschieden von unserer. Es gab damals jede Menge Wege, offene Türen zu verschiedenen religiösen Räumen und jede Menge Hirten, die die Menschen führen wollten. Die Christen haben begriffen, dass Jesus nicht einer von diesen vielen war. Und sie hatten den Mut, es auszusprechen."
Dieser Anspruch ist heute selbst unter Christen nicht selbstverständlich. Das weiß auch das Vorbereitungsteam der RKW. In einer multikulturellen und weltanschaulich neutralen Gesellschaft wirkt der Exklusivanspruch Jesu wie ein Widerspruch. Sind nicht auch andere Religionsformen Wege und Türen? Enthalten nicht auch sie Wahrheit? Und ist es nicht jedem selbst überlassen, seinen Glauben anzureichern? Ein bisschen Bergpredigt, ein bisschen indianische Naturweisheit, ein bisschen Buddhismus und noch eine Portion moderne Tiefenpsychologie obendrauf?
"Sicherlich, es gibt auch andere Wege. Aber kein Mensch und keine Religion reichen an den Mensch gewordenen und erhöhten Sohn Gottes heran. Der einzige Weg, der sicher zum Ziel führt, das ist für uns Christen Jesus Christus", sagt Dorothea Dubiel. "Die Ich- Bin-Worte Jesu verlangen von uns eine Entscheidung."
Wie jede RKW ist auch diese nicht allein eine Sache für Kinder. Das Material enthält Anregungen für Elternabend und Helferabende. Auch die Erwachsenen können so über die Frage des entschiedenen Christseins ins Gespräch kommen.
Ein Raum für den Tod, einer für das Leben
Mit keiner anderen Aussage hat Jesus seine Zeitgenossen so provoziert wie mit dem Versprechen der Auferstehung und mit der Erweckung von Toten. Im Johannesevangelium führt die Auferweckung des Lazarus unmittelbar zum Beschluss des Hohen Rates, Jesus zu töten. Tod und Auferstehung, ist das ein Thema für Kinder?
"Es gibt keinen Grund, drumherumzureden", sagt die Theologin. "Kinder begegnen sehr früh dem Tod. Sie erleben, wie Menschen oder Tiere leben und sterben. Sie machen Erfahrungen mit Trennungen ohne Wiedersehen." Der Ansatz der RKW macht deutlich, dass Tod und Leben zwei Bereiche sind, die zusammengehören. Der Tod umfängt das Leben, aber das Leben umfängt auch den Tod.
Die Kinder betreten am fünften Tag der RKW zwei nebeneinanderliegende Räume. Einer ist geschmückt mit Gräsern, Blumen, Schmetterlingen. Der andere enthält symbolische Tränen, Steine, Kreuze. Einer ist der Raum des Lebens, der andere der Raum des Todes. Die Räume werden gefüllt mit Gedanken und Erfahrungen, in denen Tod und Leben eine Rolle spielen. Der Grundgedanke dahinter: Voll das Leben, das gibt es im Leben nicht. Das volle Leben gibt es nur in Jesus Christus. Mit der Auferstehung Jesu ist auch die Grenze zwischen Tod und Leben gefallen. Dafür steht die biblische Lazarus-Geschichte. Dafür steht auch die ägyptische Ikone aus dem sechsten Jahrhundert, die den Märtyrer Menas zusammen mit dem auferstandenen Jesus zeigt. Jesus hat den Arm um Menas gelegt, als wolle er sagen, du bist mein Freund. Ich lasse dich nicht im Tod.
Kann man auch sich selbst an die Stelle dieses alten Heiligen setzen? Man darf es und kann es, denn beides ist auf einem Bastelbogen schon vorbereitet. Am Schluss gibt es dann noch ein Andenken: Einen Karabinerhaken, mit dem alle sagen: Ich mache mich an Jesus fest.
Von Andreas Hüser
Hintergrund
Das RKW-Material
Die Ich-bin-Worte Jesu:
- Joh 10, 7: "Ich bin die Tür zu den Schafen. Alle, die vor mir kamen, sind Diebe und Räuber ..."
- Joh 10,11: "Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe ..."
- Joh 14,6: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich."
- Joh 8,12: "Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben."
- Joh 11,25: "Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt." Zwei weitere Ich-bin-Worte ("Ich bin der Weinstock", "Ich bin das Brot des Lebens") werden in der RKW nicht behandelt. Eine RKW hat viele Autoren: Von der ersten Idee bis zum ersten RKW-Tag vor Ort liegen fast vier Jahre: Dialoge müssen erstellt, Lieder bearbeitet, arrangiert, gespielt und gesungen werden, Rechte für Fremdtexte und Bilder sind einzuholen und immer wieder steht die Frage: Verstehen die Kinder, was wir mitteilen wollen? Seit Anfang an wechseln sich fünf Bistümer bei der Gestaltung der Religiösen Kinderwochen ab: Berlin, Erfurt, Dresden-Meißen, Magdeburg und Hamburg. An der RKW 2008 haben maßgeblich mitgewirkt: Dorothea Dubiel, Jens Ehebrecht-Zumsande, Sabine Friedrichowicz, Mechthild Graef, Simone Plengemeyer, Juliane Tautorat und Ute Weng. Die Musik ist von Reinhard Kotitschke, Werner Koch und Johannes Zehe. Buch, CD und mehr: Das Material (Arbeitsbücher, Liederbuch, CD) ist im Leipziger St. Benno-Verlag (www.st-benno.de) erschienen.
- Mit Jesus leben, Werkbuch mit Katechesen, Gottesdiensten & Spielen für Kinder & Jugendliche, mit CD-ROM, Notensätze und Karaoke-Versionen von thematisch passenden Liedern, 12,50 Euro, ISBN 978-3-7462-2464-0
- Voll das Leben, RKW 2008 - CD zum Liedheft, 21 Lieder, eingespielt von Kindern und Musikern aus Mecklenburg, 8,50 Euro